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07/24/2005: "Weezer – Make Believe"


Ziemlich genau drei Jahre ist es her, dass Weezer mit „Maladroit“ (2002) ihr letztes Album herausbrachten. Viel Zeit – die die vier kalifornischen Musiker nicht ungenutzt ließen. Versessen arbeiteten sie am Nachfolgewerk und scheuten keinerlei Aufwand: Sie machten an manchen Tagen 24 Probeaufnahmen, holten den legendären Produzenten Rick Rubin ins Boot und mieteten für Songschreiber Rivers Cuomo ein ruhiges Loft direkt am Sunset Strip, in dem sich nichts befand als eine Yogamatte, ein Löffel und eine Schüssel. (Cuomo: „Hey, there was no bowl!”) In der großen Weezer-Fangemeinde hatte sich indes längst eine immense Spannung aufgebaut: Würde die Band nahtlos an die harten und eigenwilligen Klänge von „Maladroit“ anknüpfen, oder sich stattdessen auf ihr Bekenntnis zu poppigen Einflüssen rückbesinnen („Weezer“, „Pinkerton“)? Wie würde die neue Platte klingen?
Um es vorwegzunehmen: „Make Believe“ orientiert sich an den frühen Bandjahren, verzichtet auf allzu grobe Gitarrenhämmer. Dennoch rockt das Album – und wie! Das Konzept ist völlig schnörkellos, so simpel wie Gitarrenmusik eben sein muss – der Rolling Stone nennt das „naked honesty“. Nichtsdestotrotz steckt es voll Rivers-typischer kunstvoller Schenigeleien: Der Weezer-Frontmann darf wieder nach Lust und Laune in jammernd-hohem Singsang an den Tönen vorbeischrammen und einem damit Gänsehaut auf den Rücken zaubern, zum Beispiel in „Perfect Situation“. Er darf Stücke fabrizieren wie „Hold Me“, in denen sich bedächtige Akustikläufe und verzweifelt dröhnende Distortion-Gitarren als zwei eng verwandte und doch grundverschiedene Gefühle begegnen. Und er darf solche sich erst nach mehrmaligem Hören erschließende Kleinode wie „Peace“ texten und darin herrlich defätistisch klagen: „there is no way / i can stop // my poor brain / is gonna pop“.
Neben all dem Schwermut macht sich aber natürlich auch wieder die sonnige Kalifornierseele deutlich bemerkbar – zum Beispiel in der Singleauskopplung „Beverly Hills“: catchy Riff aus drei Akkorden, „boom-boom-chop“-Beat, dann noch schnell für den Videodreh Heerscharen echter Fans nach PlayboyMansion, Hollywood, gekarrt – fertig ist der sommerliche Smashhit, der aus „Make Believe“ abgesehen von ein, zwei schwachen Songs eine runde Sache macht.
Dieser Meinung scheinen indes bei weitem nicht alle Rezensenten zu sein: Mal beklagen sie, der Chili-Peppers-Produzent Rubin hätte den Weezer-Sound über die Maßen weichgespült und ihm die typischen Konturen genommen, mal wird den neuen Stücken der Kalifornier generell Belanglosigkeit vorgeworfen. Die Kritiker vergessen dabei aber zwei Dinge. Nummer eins: Weezer waren schon immer subjektiv, persönlich-emotional und damit per se potenziell belanglos. Genau das ist und bleibt ja das Schöne daran! Und zweitens: Es liegt im Wesen von Menschen sich zu verändern und zu entwickeln. Wer tatsächlich ein zweites „Pinkerton“ oder ein passgenaues Sequel zu „Blue“ erwartet hatte, erwartete Unmögliches. „Make Believe“ steht für einen Prozess, einen Wandel. Für die neuen Weezer – in altbekannter Brillanz.

(beide meiner kritiken erschienen im sp #20, juli 2005)

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